Theatergastspiele Kempf GmbH

Sein oder Nichtsein
Komödie von Nick Whitby
Nach dem Film „To Be or Not to Be“ von Ernst Lubitsch

Tournee:
Premiere am 2. Dezember 2011 in Kempten
2. Dezember 2011 bis 10. Februar 2012
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Viel Beifall für 130 Minuten beste Schauspielkunst
Dramatik und rasantes Tempo bot die Verwechslungskomödie „Sein oder Nichtsein“

Künstler waren schon immer beispielgebend, wenn es darum ging, sich gegen Diktatoren aufzulehnen oder sie zu überlisten. Wie das geht, wurde jetzt im Peiner Stadttheater gezeigt.
 
In den fast ausverkauften Festsälen erlebten die Besucher am Mittwochabend eine Sternstunde. Genauer: 130 Minuten beste Schauspielkunst. Das Ensemble der Kempf Theatergastspiele führte die Komödie "Sein oder Nichtsein" des britischen Autors Nick Whitby so überzeugend auf, dass am Schluss der Beifall des dankbaren Publikums nicht enden wollte.
 
Der Erfolg des Stückes fußt darauf, dass gute Schauspieler schlechte spielen dürfen, in diesem Fall Nazis. Die Komödie spielt im Jahre 1939 vor und nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs. Ein Doppelagent soll von England nach Polen eingeschleust werden. Er hat die Adressen von polnischen Untergrundkämpfern im Gepäck, um sie in Warschau dem dortigen Gestapo-Chef zu übergeben.
 
Da schlüpfen die Schauspieler - deren Anti-Nazi-Komödie war von der Zensur verboten worden, so dass sie "Hamlet" spielen mussten - in die Rollen der braunen Besatzer. Es beginnt eine Verwechslungskomödie voller Dramatik und in einem rasanten Tempo, von Barry L. Goldman inszeniert.
 
Es wird (mit Platzpatronen) geschossen, der Doppelagent getötet und als Leiche im Rollstuhl ins Büro des Gestapo-Chefs geschoben. Den spielt Jörg Reimers dröhnend, verschlagen und naiv zugleich. Aber er überzieht nicht, macht die Rolle nicht zur Karikatur.
 
Neun Schauspieler sind in 15 Rollen zu erleben. Die Hauptrolle spielt der aus dem Fernsehen bekannte Bernhard Bettermann als Josef Tura. Während er zum "Hamlet"-Monolog ansetzt, kichert das Publikum. Denn es sieht, dass dessen Ehefrau Maria sich in der Garderobe mit einem jungen Fliegerleutnant einlässt. Josef Tura weiß, dass ihn seine Frau (sehr glaubwürdig von Isabella Hübner gespielt) betrügt. Er weiß aber auch, dass sie ihn nie verlassen würde.
 
Also tut er, was getan werden muss: "Wir erspielen den Weg in die Freiheit." Und dem Schauspiel-Ensemble gelingt die Flucht nach Amerika. Allerdings ohne den Juden Grünberg (sehr eindringlich dargestellt von Christian Janda). Den hatte zuvor die Gestapo abgeholt.
 
Von Rainer Heusing - Peiner Nachrichten, 9.2.2012
 
   

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Wechselnde Befindlichkeiten
Olten «To Be or not to Be» im Stadttheater glänzend interpretiert

Die im Stück „Sein oder Nichtsein“ erwähnte polnische Untergrundarmee, die polnische Exilregierung in London, ihre Kuriere sowie der in Großbritannien aufgebaute Widerstand all dies gab es wirklich. Die Aufständischen der Heimatarmee kämpften 63 Tage gegen die deutschen Besatzungstruppen, bevor sie mangels Unterstützung von außen und angesichts der aussichtslosen Situation kapitulierten. All diese geschichtlichen Hintergründe der Nazizeit im Zweiten Weltkrieg schufen den Rahmen zu dieser einmaligen Komödie von Nick Whitby nach dem unvergesslichen Film „To Be or Not to Be“ von Ernst Lubitsch, der in die Geschichte einging.
 
Hintergründige Parodie
 
So erlebte das Oltner Publikum eine Komödie, eine hintergründige Parodie auf diese geschichtlichen Zusammenhänge, und zwar in einer ungewohnten Form. Das Theater im Theater wurde zu einem spannenden Erlebnis mit unzähligen rasch wechselnden Befindlichkeiten. Die Komödie spielte in Warschau im Jahre 1939. Die Schauspielerinnen und Schauspieler des Theaters Polski probten eine Anti-Nazi Komödie mit all ihren Erscheinungsformen. Das Hitlerhakenkreuz beherrschte zeitweise den Bühnenraum und wirkte als Provokation der Ereignisse in Deutschland. Doch die Geschichte nahm ihren Lauf und holte das Theater und ihr Schauspielerteam ein, das Stück wurde von der Regierung abgesetzt, da man Nazi-Deutschland nicht provozieren wollte.
 
Doch die Schauspieler müssten keine Schauspieler sein, wenn sie so schnell aufgeben würden, sie suchten sich einen neuen Stoff aus und kamen zu Shakespeares Hamlet mit der weltberühmten Aussage „To Be - or not to Be“, die zum Schlüsselwort der Komödie mit all ihren tragischen Schattenseiten wurde. Was die drei Schauspielerinnen und sechs Schauspieler auf der Bühne zeigten, war hohe Schauspielkunst. Barry L Goldman führte Regie, das geschickt aufgebaute Bühnenbild von Andrey von Schlippe ermöglichte rasche Wechsel, das Hakenkreuz als Bühnenhintergrund verwandelte sich in Sekundenschnelle in eine harmlose geblümte Tapete, und man befand sich in der Garderobe der berühmten und schönen Schauspielerin Maria Tura, glänzend interpretiert von Isabella Hübner, die verheiratet mit Josef Tura war, ebenso brillant gespielt von Bernhard Bettermann, der eine Schlüsselrolle in der Komödie verkörperte. Als kluger Kopf, als leidenschaftlicher Theatermann suchte er ständig nach einer Möglichkeit, Theater spielen zu können, mochte auch die Welt um das Theater, um das Theaterteam herum untergehen. Alexander Wipprecht mimte den jungen attraktiven Fliegeroffizier Stanislaw Sobinsky, der sich in die schöne Maria Tura verliebte, fliehen musste, nach England ging und wieder nach Warschau zurückkehrte und den Spion Professor Silewski aufdeckte, gespielt von David Scholz, der auch den jungen Grünberg witzig interpretierte. Dunja Bengsch verkörperte die Rolle der Anna überzeugend und Sarah-Jane Janson spielte eine fesselnde Eva. Auch Christian Claaszen als Rowicz belebte die Handlung in seiner witzigen Art.
 
Nur der Jude Grünberg blieb zurück, für ihn gab es kein Amerika mehr.
 
Jörg Reimers begeisterte als Oberst Erhardt und Christian Janda als Grünberg, der am Schluss kurz vor der Flucht verhaftet wurde. Das Verrückte in dieser Komödie war, dass man Theater im Theater erlebte, dass die urkomischen menschlichen Emotionen im Kontrast zu vernichtend traurigen Momenten standen, so dass man ständig als Zuschauer seine Position verändern musste. Das Witzige, Komische packte einen, aber auch die hintergründigen, traurigen Befindlichkeiten zogen in ihren Bann. Lubitsch war ein Meister der Komödie und schuf sich mit dieser Verfilmung einen großen Namen. Die Worte kamen ironisch, witzig rüber, ohne ins Banale abzustürzen. Mochten die Bühnen- und Vorhangverschiebungen noch so ausgefallen sein, immer blieb ein Stück Tragik im Raum hängen und betonte als Kontrast das Komische, das einen mitriss und packte. Ganz nach der Aussage: In Zeiten, in denen es nichts zu lachen gibt, braucht man den Humor am dringendsten. Aufatmen durfte man erst, als man erkannte, dass das gesamte Team dank einer unglaublichen List mit Hitlers Privatflugzeug nach Amerika fliegen konnte, nur der Jude Grünberg blieb zurück, für ihn gab es kein Amerika mehr.
 
Von Madeleine Schüpfer - Oltner Tagblatt, 26.1.2012
 
   

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Theater: Heiterkeit im Todesschatten

Fulda. Zu einem heiteren Tanz im allgegenwärtigen Schatten des Todes bittet Nick Whitby in seiner schwarzen Komödie „Sein oder Nichtsein“. Die Adaption des berühmten Films „To Be or Not to Be“ von Ernst Lubitsch überzeugt im Schlosstheater mit einer humorvoll-spannenden Inszenierung.
 
Der Inhalt kann auf einen Satz verdichtet werden: Eine polnische Schauspieltruppe führt im Warschau des Jahres 1941 in Nazi-Kostümen unter extremer Lebensgefahr die Gestapo hinters Licht und rettet Untergrundkämpfer vor dem Tod. Das dichte und schnelle Stück bedeutet für jedes Ensemble eine heftige Herausforderung, denn Schauspieler verkörpern Schauspieler, die wiederum anderen etwas vorspielen. Die Truppe der Theatergastspiele Kempf löst ihre Aufgabe beeindruckend bis bravourös.
 
Verfasser und Regisseur verlassen sich auf den Humor von Lubitschs genialer Naziparodie, vermitteln ihre freche Frische und ihre ironische Eleganz. Zudem grundieren beide die Heiterkeit mit Bitterkeit und meistern den äußerst schwierigen Balanceakt zwischen Komik und Grauen, Hoffnung und Trauer, Witz und Wahn, Leben und Tod. Bei dieser unterhaltsam-beklemmenden Produktion, die sich intensiv dem Galgenhumor verschreibt, regiert solides und profundes darstellerisches Handwerk.
 
Lob und Anerkennung dürfen auch das ausgewogen besetzte Ensemble für sich in Anspruch nehmen, das ganz im Sinne der Vorlage mit Entsetzen Scherz treibt, den schmierigen Nazi-Schergen tragikomische Helden entgegenstellt, Sarkasmus mit Ernst verquickt und in die geistreiche Abrechnung mit dem Führerkult ätzende Satire träufelt.
 
Aus der Riege der neun Mitwirkenden müssen genannt werden der wandlungsfähige Bernhard Bettermann als eitel-mutiger Josef Tura (quälend-lustig sein Hamlet-Monolog), Isabella Hübner als Maria Tura, eine egozentrisch-liebenswerte Diva, sowie Jörg Reimers als autoritär-väterlicher Regisseur Dowasz und als geil-widerlicher Oberst Erhardt. Als Meister der still-leidenschaftlichen Töne beeindruckt Christian Janda in der Rolle des gütig-sensiblen Juden Grünberg. Szenenapplaus sowie intensiver Schlussbeifall runden den Theaterabend über „Sein oder Nichtsein“ ab.
 
Von Christoph A. Brandner - Fuldaer Zeitung, 13.1.2012
 
   

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Keine Sekunde langweilig
Die Aufführung von „Nicht oder Nichtsein" war ein wunderbarer Jahresausklang des Theaterprogramms.

Nach zwei zu keiner Sekunde langweiligen Aufführungsstunden dankt ein restlos begeistertes Publikum den neun Ensemblemitgliedern nach langer Zeit mal wieder mit völlig verdienten stehenden Ovationen für einen ganz wunderbaren Jahresausklang im Theaterprogramm des Kulturvereins.
 
Nick Whitbys „Sein oder Nichtsein" als Theater im Theater ist nur grenzwertig als Komödie zu verstehen, es ist auch ein brillantes Stück Zeitgeschichte. Wobei sich Autor und Regisseur (Barry L. Goldman) nicht scheuen, Slapstickelemente einzubinden.
 
Zu Anfang wird der Saal als Auftrittsraum direkt in das verschachtelte Geschehen einbezogen. Da probt kurz vor dem Ausbruch des zweiten Weltkrieges eine bunt gemischte Truppe um den exaltierten Star Josef Tura (Bernhard Bettermann) und seine manchmal ob der Allüren genervte bildschöne Frau Maria (Isabella Hübner) in einem Warschauer Theater eine Anti-Nazi-Komödie. Die Aufführung wird aber kurz vor der Premiere von der Zensur untersagt.
 
Man steigt auf „Hamlet" um, und dessen langen Monolog nutzt Maria, um in ihrer Garderobe ein „Krösken" mit einem sie verehrenden polnischen Luftwaffenoffizier anzufangen. Der geht nach Kriegsausbruch in den Widerstand, schickt von London aus mit einem Kurier eine Botschaft an Maria und reist selbst wieder nach Warschau. Er befürchtet, dass der Kurier ein Spitzel der Gestapo ist und die Namen aller Warschauer Widerstandskämpfer verrät. In dem grandios inszenierten Chaos um die Ermordung des Spitzels wächst Tura, der gegenüber der Gestapo in die Rolle des Spitzels schlüpft, über sich hinaus.
 
Von da ab ist die Handlung bis zum Happy End zwar konstruiert, macht aber ungeheuer viel Spaß beim Zuschauen.
 
Jörg Reimers in der Doppelrolle als Regisseur Dowasz und vor allem als Gestapo-Oberst Erhardt brilliert dabei. Den Möglichkeiten der Rollen entsprechend tut das das gesamte Ensemble: mit dem facettenreichen Bernhard Bettermann, der wunderbaren femme fatale Isabella Hübner, einer beeindruckenden Sarah-Jane Janson (der Tochter von Horst Janson) und einer starken Dunja Bengsch als Anna. Christian Janda gibt einen ebenso überzeugenden Grünberg wie David Scholz seinen Sohn. Christian Claaszen als vor allem stupider Nazi Fleischer und Alexander Wipprecht als Maria Turas Liebhaber Sobinsky runden den Abend ab.
 
Ein glänzender Jahresabschluss.
 
Von Hartmut Engelbrecht - Wermelskirchener Generalanzeiger, 19.12.2011
 
   

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Komödie "Sein oder Nichtsein" als bejubeltes Gastspiel in Waldkraiburg

Der Bettermann kann auch anders. Nachprüfbar war das beim Stopp der Grünwalder Truppe "Kempf Theatergastspiele" in Waldkraiburgs Haus der Kultur mit der Komödie "Sein oder Nichtsein" von Nick Whitby, uraufgeführt 2008 am Broadway in New York, entstanden nach dem Film "To Be or Not to Be" von Ernst Lubitsch (1942). In der Inszenierung von Barry L. Goldman spielt Bernhard Bettermann neben einem genasführten, eifersüchtigen Ehegatten der Diva Maria Tura (Isabella Hübner) den Hamlet von Shakespeare auf den Brettern des Warschauer "Teatr Polski" - man schreibt das Jahr 1939, kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, dann muss er schließlich Hitler spielen.
 
Eigentlich war Josef Tura für die Hauptpartie in der Politkomödie "Gestapo" vorgesehen. Doch die polnische Regierung, die sich mit Hitlers Besatzung nicht anlegen will, verbietet die Aufführung. Da wie dort macht Josef Tura gute Figur. Im 1. Akt: als schnuckeliger Dänenprinz in lächerlicher Maske und Pose, zu seinem Monolog mehrmals zögernd ansetzend (dessen Länge der dreiste Fliegerleutnant Stanislaw für ein Rendezvous mit Tura-Gattin Maria in deren Garderobe ausnützt), dort, im letzten Akt: als schnöder Diktator, in dessen Verkleidung er sich, ganz der tolle Bühnenschauspieler des "Polski", der er quasi realiter ist, zum Befreier seiner Truppe vorwagt, die einem ungewissen, doch wohl schrecklichen Schicksal entgegensieht. Einer daraus, der Jude Grünberg, schaut bereits dem gewaltsamen Tod durch die Nazimörder in die Augen, einst ein in Wien gefeierter Schauspieler.
 
Der Schlachtbank entkommt Bettermann-Tura, indem er in die Rolle des von ihm erschossenen Londoner Nazi-Spions Professor Silewski schlüpft. Diese "Rolle" kostet Bettermann ganz exzellent und mit Süffisanz aus. Höhepunkt des insgesamt vom jüdischen Witz inspirierten Stücks: die Sache mit der auf dem Stuhl sitzenden Leiche, der der geschockte "echte" Gestapo-Chef Oberst Erhardt den aufgeklebten Schnauzbart abzupft. Den trägt allerdings Bettermann-Tura. Und eine Intellektuellenbrille dazu, das Augenglas des klugen, gerissenen Ensemble-Capos, als welcher Bettermann schlussendlich am überzeugendsten ist.
 
Das stark zum Mit- und Nachdenken fordernde Stück changiert in der billanten Wiedergabe durch die Gruppe um Bettermann zwischen Ernst und Spaß. Das Publikum lachte an vielen Stellen, amüsierte sich über die wunderbaren Verstellungskünste der schönen Isabella Hübner, die Betulichkeit der Dunja Bengsch als Muttchen Anna, die Wandelbarkeit des Majors zu Rowicz (Christian Claaszen), des Dowacz zum "Schwein" Oberst Erhardt (Jörg Reimers) oder des verliebt-tölpelhaften Stanislaw zu Walowski (Alexander Wipprecht).
 
Warum denn zum Bayerischen Staatsschauspiel fahren? Das Gute wird uns in die Provinz gebracht. Das jedenfalls ist aus der einhelligen Zustimmung des sichtlich erquickten Publikums am Ende der Aufführung zu schließen.
 
OVB, 17.12.2011
 
   

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Balanceakt über dunklem Abgrund
Die Komödie „Sein oder Nichtsein“ nach dem Filmklassiker von Ernst Lubitsch

NEUSTADT. Der Titel ist wörtlich zu nehmen: „Sein oder Nichtsein“, am Donnerstag im Saalbau als Inszenierung der „Theatergastspiele Kempf“ zu sehen, gerät zum schwindelnden Balanceakt zwischen tödlichem Ernst und hintersinnigem Humor. Wer sich auf schmalem Grat bewegt, gerät durch zaghaftes Zaudern leicht ins Schwanken. Und der Grat, auf dem das Drama voranschreitet, ist wahrhaft messerscharf. Die Inszenierung unter Regie des Amerikaners Barry L. Goldman, der seit 15 Jahren auch an deutschsprachigen Bühnen arbeitet, setzt entschlossen auf vorwärts treibenden Schwung. Ebenso dynamisch wie vielschichtig rollt sie die flirrende Geschichte um die Schauspieler des Warschauer Theaters Polski kurz vor und in der Zeit des Zweiten Weltkriegs auf.
 
Schon die erste Szene wirkt beklemmend: Wie der Zuschauer bald feststellt, ist die Verhörszene in einem Gestapo-Hauptquartier „nur“ eine Probe des Theater Polski, das eine Anti-Nazi-Komödie einstudiert. Die Spannung steigert sich im weiteren Spielverlauf dank dieser Doppelbödigkeit, in der dargestelltes Bühnenspiel und Realität spiegelnd einander verstärken. Mitunter wird das Publikum auch räumlich vom Geschehen umfangen. Indem einige Darsteller aus dem Saal auf die Bühne treten, verschwimmen die Grenzen zwischen Spiel und Zuschauer. Auch dadurch schwingt das Shakespeare-Wort mehrfach mit, dass die ganze Welt Bühne sei.
 
Der 1963 in London geborene Dramatiker und Drehbuchautor Whitby schrieb seine 2008 uraufgeführte Komödie nach dem gleichnamigen Film des deutsch-amerikanischen Filmregisseurs Ernst Lubitsch. Der Film erntete wegen des ironischen und forschen Witzes zunächst die Kritik, er gehe leichtfertig mit den Naziverbrechen um. Immerhin wurde zeitgleich zur Filmpremiere die systematisch geplante Vernichtung der jüdischen Bevölkerung schreckliche Realität. Doch Solidarität hat viele Gesichter. Sie muss nicht in düsterem Ernst verharren. Tatsächlich entlarvt sich im wechselvollen Spannungsfeld zwischen Leichtigkeit und Schwerem die ganze irrwitzige Dürftigkeit der Nazi-Schergen. Zwar birgt der Humor auch Gefahren, aber die Regie vermeidet es klug, die von Witz und Trauer flankierte Geschichte zu sehr auf die eine oder andere Seite zu schieben. Das Lachen, mit dem der Zuschauer sich immer wieder aus der Beklemmung befreien darf, wirkt nicht deplatziert. Dafür bleibt die Bedrohung unter der deutschen Besatzung zu spürbar. Und sie wird so ergreifend gespielt, dass der Zuschauer sich unmittelbar mit einer perfiden Maschinerie konfrontiert fühlt, die ein grausames Vernichtungswerk angeworfen hat.
 
Mit schnellem Schwenk der Bühnenwände wechseln immer wieder die Schauplätze zwischen dem Warschauer Gestapo-Quartier und dem heimlichen Widerstandsnest der Polski-Theatertruppe. Dass die polnischen Künstler als zweitklassige Darsteller belächelt werden dürfen, verringert nicht ihr Heldentum als Widerständler. Wenn Bernhard Bettermann in der Rolle des Josef Tura den Hamlet spielt, wirkt er beim genussvoll in die Länge gezogenen Monolog „Sein oder Nichtsein“ noch schwülstig und komisch. In der Rolle Hitlers, als es buchstäblich um Leben und Tod geht, bekommt das schwülstige Gehabe eine gefährliche Prägung. Überhaupt liefern die Schauspieler eine beeindruckende Leistung ab: Isabella Hübner spielt eine gefallsüchtige, affektierte Maria Tura, während Alexander Wipprecht dem Fliegerleutnant Sobinsky jungenhafte Züge gibt. Jörg Reimers spielt neben dem ambitionierten Schauspieldirektor Dowasz einen tumben Nazi-Oberst zwischen Gefähr- und Lächerlichkeit. Christian Janda genießt Zuschauersympathien als jüdischer Schauspieler Grünberg, dem am Ende die Rettung versagt bleibt.
 
Den Zusammenhalt der Schauspieltruppe trotz aller Eitelkeiten und Eifersüchteleien arbeitet die Regie wunderbar heraus. Ergreifend wirkt diese Verbundenheit beim gemeinsamen Entschluss, in die Rollen der feindlichen Besatzer zu schlüpfen. Dabei glänzt Dunja Bensch als Garderobiere Anna, die zum ersten Mal eine Rolle spielen wird: Mit dem Mut, den das zitierte Theaterwort ihr einflößt: „Wenn der Schauspieler glaubt, dann glaubt ihm auch das Publikum.“ Und genauso war es bei der Darbietung im Saalbau.
 
Rheinpfalz, 17.12.2011
 
   

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Scherze mit dem Entsetzen
Kempf Theatergastspiele mit „Sein oder Nichtsein“ von Ernst Lubitsch in Gelnhausen

„Sein oder Nichtsein“, das war die Frage bei den Kempf Theatergastspielen. Allerdings wurde am Mittwochabend in der Stadthalle nicht „Hamlet“ gegeben, sondern mit „Sein oder Nichtsein“ ein Bühnenstück nach dem gleichnamigen Hollywoodfilm von Ernst Lubitsch von 1942 aufgeführt.
 
Grandios, dramatisch, humorvoll, dynamisch und furios ließen die teilweise aus Film und Fernsehen bekannten Schauspieler bei diesem über zweieinhalb Stunden langen Stück keine Langweile aufkommen. Das gesamte Ensemble überzeugte durch ein gelungenes Zusammenspiel. Die Zuschauer wussten manchmal nicht, ob sie lachen oder vor dramatischer Spannung den Atem anhalten sollten.
 
Trotz aller heiter-satirischen Dialoge hatte „Sein oder Nichtsein“ eine in jeder Hinsicht ernsthafte Handlung: Das gesamte Theaterensemble befindet sich in Lebensgefahr und muss seinen Kopf aus der Schlinge ziehen. Sommer 1939: Das Ensemble des Warschauer Theater Polski probt die Satire: „Ein Geschenk für Hitler“. Kurz vor der Premiere wird das Stück aus politischen Gründen von der Zensur gestrichen und durch „Hamlet“ ersetzt. Im Krieg, als das Theater geschlossen ist, erhalten die Schauspieler Besuch von Sobinsky, einem jungen Fliegerleutnant, mit dem die Diva des Theaters, Maria Tura, hinter dem Rücken ihres Mannes, des Schauspielers Josef Tura, heimlich eine Affäre hatte. Der Fliegerleutnant berichtet, dass ein von den Nazis eingeschleuster Spion, Professor Silewski, auf dem Weg zu Oberst Erhardt, dem Gestapo-Chef von Warschau sei, um ihm eine Liste mit Namen der polnischen Untergrundarmee zu übergeben. Die Schauspieler beschließen, Silewski als Gestapoleute verkleidet abzufangen und ins Theater zu locken, das sie als Gestapo-Hauptquartier umdekorieren. Sie wollen ihm die Liste abnehmen und ihn liquidieren.
 
Jetzt beginnt im wahrsten Sinne des Wortes das Spiel um Leben und Tod. Nach ein paar Pannen, bei denen dem Publikum vor Spannung das Lachen im Halse stecken blieb, gelingt es schließlich, den Spion zu erschießen. Die aberwitzige Handlung wird noch gesteigert, als Silewski im Sterben verkündet: „Sie alle werden sterben, wenn ich nicht im Gestapo-Hauptquartier erscheine, denn eine Kopie der Liste befindet sich im meinem Gepäck“.
 
In der Rolle des Spions wagt sich Schauspieler Josef Tura in die Höhle des Löwen, ins Gestapo-Hauptquartier, und treibt mit dem Entsetzen Scherze. In satirisch überspitzten Dialogen wird die dummdreiste Brutalität der Nazis und die egozentrische Eitelkeit Turas aufs Korn genommen, mit der er sich um Kopf und Kragen zu reden droht. Am nächsten Tag finden die Nazis die Leiche Silewskis und der Schwindel droht aufzufliegen.
 
In der dramatischsten Szene des gesamten Stückes gelingt es Tura, Oberst Erhardt zu verwirren und ihn von seiner Identität als Silewski zu überzeugen. Er erhält er zwei Flugtickets, die ihn in Begleitung von Maria Tura zurück nach London bringen sollen. Beim Abschied im Theater möchte er die Truppe nicht im Stich lassen und wächst über sich selbst hinaus. Als Hitler verkleidet und mit dem gesamten Ensemble im Gefolge marschiert er zur Gestapo-Gala anlässlich der einjährigen Besetzung Polens ein. Nach einem kurzen Auftritt gelingt es der Truppe, Hitlers Flugzeug zu besteigen, während der echte Führer auf dem Weg zur Gestapo-Zentrale ist. Der polnische Pilotenleutnant fliegt sie alle in Freiheit. Das heißt, fast alle, denn der Jude Grünberg war zwei Stunden vorher von der SS abgeholt und deportiert worden.
 
(cra) - Gelnhäuser Tageblatt, 09.12.2011
 
   

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„Lachen tut gut“

Kempten – Ein riesiges Hakenkreuz „zierte“ die Bühne – erster Blickfang für das Publikum, das zur Premiere von „Sein oder Nichtsein“ ins TheaterInKempten (TIK) gekommen war. Das Symbol, das gemeinhin eher für Beklemmungen sorgt, war dennoch Vorbote für eine turbulente, mit bösem Wortwitz, unerwarteten Wendungen und Verwechslungen gespickte, vielschichtige Komödie. Eine Satire auf den Nationalsozialismus, die der jüdisch-amerikanische Regisseur Barry L. Goldman nach dem gleichnamigen Kult-Film von Ernst Lubitsch des Jahres 1942 mit Bravour auf die Bühne gebracht hat.
 
Kein leichtes Unterfangen, schon allein wegen der vielen Szenenwechsel, die im Theater eigentlich häufige Umbaupausen erfordern – wäre da nicht der geniale Bühnenbildner Andrey von Schlippe am Werk gewesen, der mit ausgetüftelten Klappwänden die wechselnden Örtlichkeiten quasi „en passant“ entstehen ließ. Auch mochte einem – allem thematischen Ernst zum Trotz – das Lachen so gar nicht im Halse stecken bleiben, was vom Regisseur auch so gewünscht war: „Lachen tut gut, man darf natürlich lachen.“ „Chapeau“ gebührt auch dem homogen agierenden, hervorragenden Darstellerensemble, das der nicht einfachen Herausforderung, bloß mittelmäßige Schauspieler zu mimen, ausnahmslos überzeugend gerecht wurde.
 
Schauplatz der Geschichte ist das „Teatr Polski“ in Warschau, wo 1939 für ein zeitkritisches Stück in Nazikostümen geprobt wird. Um Schwierigkeiten mit dem Hitlerregime zu vermeiden, untersagt die polnische Regierung die Aufführung des Stücks. So kommt der selbstverliebte Schauspieler Josef Tura (Bernhard Bettermann) in seiner Starrolle als Hamlet zum Zuge. Während er seinen großen Monolog gibt, trifft sich seine nicht minder narzisstische Gattin und Schauspielerin Maria (Isabella Hübner) regelmäßig mit dem attraktiven Fliegerleutnant Stanislaw Sobinsky (Alexander Wipprecht). Plötzlich wird über Nacht aus dem Spiel ernst: Es ist Krieg, das Theater wird geschlossen und die Schauspieler spielen just ab dem Moment um ihr Leben, als sie beschließen, einen Nazi-Spion in eine Falle zu locken, um eine Liste mit Namen polnischer Widerstandskämpfer sicher zu stellen.
 
Nun kommen Kulissen und Kostüme des abgesetzten Stückes doch noch zum Einsatz. Rasch wird das „Teatr Polski“ zum Gestapo-Hauptquartier und die Mimen schlüpfen in die Rollen der Nazis. Das kontinuierlich an Fahrt aufnehmende Stück strotzt nur so vor witziger Einfälle, die dennoch unaufdringlich bleiben und auch der Wahrnehmung des eigentlich grausamen Hintergrunds Raum lassen. Grotesk und doch bitter nah an Realitäten wird der Führerkult parodiert, karikiert und der Lächerlichkeit preisgegeben. Diesbezüglich kam dem einfältigen und selbstherrlichen Gestapo-Chef Erhardt (Jörg Reimers) eine wahrhaft herausragende Stellung zu.
 
Seine Avancen gegenüber Maria schafften den Spagat, abstoßend und komisch zugleich zu sein. Aber auch die Mittelmäßigkeit der dargestellten Schauspieler, die selbst in den brenzligsten Situationen noch ihre Eitelkeiten pflegten, machte einen immer wieder Schmunzeln. Hoffnung und Trauer reichten sich beim nicht gänzlich glücklichen Ende die Hand: Nur der jüdische Schauspieler Grünberg (Christian Janda) konnte den Nazis nicht entkommen. Bevor die Produktion der Theatergastspiele Kempf ihre Deutschlandtournee antrat, erntete sie bei der Premiere in Kempten begeisterten Applaus.
 
Von Christine Tröger - Kreisbote, 7.12.2011
 
   

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Zum Fürchten und Lachen
„Sein oder Nichtsein“ spielt intelligent mit
dem Schrecken des Nazi-Terrors
Inszenierung nach dem Lubitsch-Filmklassiker
erhält im Stadttheater großen Applaus

Kempten Gestapo Hauptquartier. Ein Junge wird mit einem Spielzeugpanzer bestochen und die politische Haltung seines Vaters ausspioniert. Der Führer kommt. „Heil Hitler!“ – „Ich heil mich selbst“, erwidert dieser. Im Zuschauerraum regt sich etwas und ein Mann eilt zur Bühne und fährt dazwischen. „Nein, so geht das nicht“, sagt er und entpuppt sich als Regisseur. Erst jetzt wird dem Zuschauer klar, dass da ein Stück geprobt wird und der wirkliche Schauspieler Christian Janda den jüdischen Schauspieler Grünberg spielt, der wiederum den Hitler gibt. Theater im Theater also. Eine reizvolle Sache, die leicht schief gehen kann. Jedoch nicht unter den erfahrenen Regiehänden eines Barry L. Goldman, der im Auftrag der Theatergastspiele Kempf „Sein oder Nichtsein“ von Nick Whitby als umjubelte Premiere auf die Bühne des Stadttheaters brachte.
 
Zivilcourage und Solidarität
 
In der 2008 entstandenen Bühnenfassung nach dem Kult-Film „To Be or Not to Be“ von Ernst Lubitsch aus dem Jahr 1942 proben polnische Schauspieler das Stück „Ein Geschenk von Hitler“. Sie bekommen aber keine Aufführungsgenehmigung, denn es ist Krieg. Das Bühnenbild können sie aber gebrauchen, als der Star des Theaters, Maria Tura, in eine Spionageaffäre verwickelt wird. Nun müssen sie um ihr Leben spielen. Sie schlüpfen in ihre Nazi-Kostüme, um nicht nur ihr eigenes Leben zu retten, sondern auch den Sohn des inzwischen deportierten Schauspielkollegen Grünberg in Sicherheit zu bringen. Die Komödie schafft es, dem Nazi-Terror Tugenden wie Zivilcourage und Solidarität entgegenzustellen, ohne den Schrecken des Holocaust zu verkleinern.
Mit einem Ensemble von neun, teilweise aus dem Fernsehen bekannten Schauspielern wartete die Inszenierung, die bis Februar auf Deutschlandtour ist, auf. In den Hauptrollen: Isabella Hübner als Maria Tura und Bernhard Bettermann als Josef Tura, außerdem in meist mehreren Rollen Jörg Reimers, Alexander Wipprecht, Christian Claaszen, Sarah-Jane Janson, Dunja Bengsch, Christian Janda, David Scholz.
 
Raffiniertes Bühnenbild
 
Nicht hoch genug zu loben sei der Bühnenbildner Andrey von Schlippe, der die schier unmöglichen Ortswechsel, die der Film durch viele schnelle Schnitte vorgab, zu realisieren hatte. Drehbare Stellwandelemente, in welche Türen eingelassen waren, ersetzten die Drehbühne, so dass von der Garderobe auf die Nazi-Bühne und von dort aufs reale Gestapo-Hauptquartier gewechselt werden konnte und sogar der Blick in einen zweiten Zuschauerraum freigegeben wurde.
Der Sieg der Komödie über die Tragödie auch zum Schluss: Nicht Grünberg, jetzt einen Judenstern tragend, schließt eingehüllt in Klezmer-Musik den blutroten Vorhang endgültig, sondern die gerettete Schauspieler-Truppe träumt über den Wolken auf dem Weg nach Amerika von einem neuen Leben.
Am Ende gab es im Stadttheater begeisterten Premieren-Applaus für ein spielstarkes Ensemble und eine mutige Regie.
 
Von Jana Schindler - Allgäuer Zeitung, 6.12.2011
 
   

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